Von Marcel Bertschi, Zürich – Fotograf Marcel Bertschi, Zürich, Gemeinfrei, Link

Dass die Schweiz begnadete Bergsteiger und Schriftsteller hervorbringt, ist nichts Neues. Emil Zopfi vereinigt beide Eigenschaften in glücklicher Symbiose: Er steigt und schreibt über Berge ohne Pathos – und doch mit dem Gefühl für die „zweite“ Ebene, die das Bergsteigen über eine rein körperliche Tätigkeit hinaus erhebt. Die ins Innere oder auf Metaphysisches gerichteten Betrachtungen beim Ersteigen eines Berges, aber auch die Gedanken über das Bergsteigen, die erst dessen eigene „Kultur“ begründen, beschäftigen Zopfi seit langem.

In „Dichter am Berg“ verleiht er diesen Gedanken gelungenen Ausdruck und spürt zugleich dem Leben und Werk zahlreicher, von den Bergen und dem Bergsteigen geprägter Literaten nach. Einleitend schildert Zopfi unter der Überschrift „Zauberberge“, wie er selbst zum Schreiben kam – gleichsam als Ersatz für die in den Wintermonaten auf Eis liegenden Bergtouren. Emil Zopfi wurde 1943 im schweizerischen Wald unweit Zürichs geboren und veröffentlicht unter anderem auf dem Blog www.bergliteratur.ch.

Zitat:
Im November, wenn der erste Schnee fiel, begann ich zu schreiben. Es gab noch keine Kletterhallen, die einem die Wand ersetzen konnten. Ich litt, mir fehlten die Berge, alle Bergbücher der Bibliothek hatte ich gelesen, kaufen konnte ich mir keine. Mein Geld ging für Seil und Bergschuhe drauf, zum Klettern trug ich alte, unten abgeschnittene Manchesterhosen. Schlafsack, Pickel und Steigeisen lieh ich mir aus. Schreibend konnte ich die Abenteuer, die Ängste und das Glück des vergangenen Sommers nochmals erleben, nicht nur einmal, sondern immer wieder.
Die flüchtigen Augenblicke auf Gipfeln, die beklemmenden Stunden in der Wand, die erste Tour mit einer Freundin, sie waren nicht vergangen und verweht. Sie kehrten wieder als innere Bilder, als Filme im Kopf, denen ich Gestalt gab, in kleinen Berichten und Geschichten, die ich Buchstabe um Buchstabe auf der Schreibmaschine meines Vaters tippte. Wenn ich an jene Zeit zurückdenke, dann kommt mir ein Satz des deutschen Schriftstellers Martin Walser in den Sinn: „Schreibend antworten wir auf einen Mangel. Uns fällt ein, was uns fehlt.“«

Emil Zopfi, Dichter am Berg, Alpine Literatur aus der Schweiz, Zürich 2009, Seiten 11 f.


Bild von ha11ok auf Pixabay

„…Buchstabe um Buchstabe auf der Schreibmaschine meines Vaters“

Ausgesucht und eingestellt von Katrin von Mengden-Breucker & Marius Breucker

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